Viel Kritik am Entwurf zum „Bundesteilhabegesetz“ – eine BRÜCKE-Veranstaltung informiert

Information, Austausch und Diskussion zwischen Betroffenen, Angehörigen, Fachkräften und Politikern sind die Ziele einer Lübecker Veranstaltung zum bevorstehenden „Bundesteilhabegesetz“ der Bundesregierung. Die für alle Interessierte offene Veranstaltung findet am Dienstag, den 21. Juni von 16 bis 19 Uhr im Großen Saal der Gemeinnützigen (Königstraße 5) statt. Organisiert wird sie von der „Inklusions-Arbeitsgruppe“ (psychiatrie-erfahrene Nutzer von Hilfeangeboten) der BRÜCKE Lübeck in Kooperation mit dem Paritätischen Schleswig-Holstein. Sie wird unterstützt von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Lübeck (AWO, Gemeindediakonie, Caritas, Rotes Kreuz und der Paritätische).

Das geplante Gesetz ist das größte behinderten- und sozialpolitische Vorhaben der Bundesregierung. Es wird zukünftig das Leben vieler behinderter und psychisch beeinträchtigter Menschen prägen. Das geltende Recht stammt aus den 1960er und 1970er und 2000er Jahren und ist in Teilen mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar. Es muss daher dringend reformiert werden. Von der Politik wurden hohe Erwartungen mit dem Teilhabegesetz verbunden. Doch nach Ansicht vieler Sozial- und Betroffenenverbände bleibt der vorliegende Entwurf weit dahinter zurück. Nach Forderungen eines breiten Bündnisses von Sozial- und Behindertenverbänden, aber auch von Betroffenen, Angehörigen und Leistungsanbietern,  soll die Bundesregierung dafür sorgen, dass das neue Gesetz keine Verschlechterungen für behinderte Menschen mit sich bringt. Der jetzige Gesetzesentwurf lässt dies befürchten.

Als Grundlage muss weiterhin sichergestellt sein: Teilhabe ist ein Menschenrecht – doch für viele behinderte Menschen ist Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nur mit Unterstützung möglich. Sie brauchen unterschiedliche Hilfen und auch Menschen, die sie im Alltag unterstützen. An einigen Stellen könnte es Verbesserungen durch das neue Gesetz geben, allerdings würde es auch zu deutlichen Verschlechterungen kommen.

 

Was sind die Ziele und Problemfelder vom Bundesteilhabegesetz?

  1. Anspruch: Das Leben von Menschen mit Behinderung soll verbessert werden. Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können.
    Doch der Entwurf des Gesetzes lehnt sich nicht an die Inhalte der UN Behindertenrechtskonvention an. Der Anspruch auf „volle und wirksame Teilhabe“ in der UN-Behindertenrechtskonvention wurden nicht in das Gesetz übernommen  stattdessen soll die Teilhabe nur „gefördert“ werden.
  2.  Anspruch: Menschen mit Behinderung sollen selber über ihr Leben bestimmen können.
    Doch dazu fehlt es auch zukünftig an objektiven Wahlmöglichkeiten, da die unabhängige und umfassende Beratung von Menschen mit Behinderung auch mit dem neuen Gesetz nicht gegeben wäre, da es keinen Rechtsanspruch auf unabhängige Beratung geben soll. Dem Wunsch und Wahlrecht soll entsprochen werden doch wird das Wunsch- und Wahlrecht durch die Hintertür „einkassiert“ werden, weil sich die Kosten für Hilfen nur noch im unteren Drittel des Angebotssegments bewegen dürfen.
    Leistungsträger sollen Teilhabepläne aufstellen. Hier ist eine direkte Beteiligung der behinderten Menschen nicht vorgesehen. Die Leistungsberechtigten sollen die Teilhabpläne nur auf Nachfrage ausgehändigt bekommen. Da nach dem Teilhabeplan Leistungen bewilligt werden, sollte hier grundsätzlich Transparenz herrschen und nicht erst auf Nachfrage.
  3. Anspruch: Die Eingliederungs-Hilfe soll verbessert und weiterentwickelt werden. Jede Person mit Behinderung soll genau die Unterstützung bekommen, die sie braucht.
    Hierzu müßten die Bedarfsfestellungsverfahren und die zugehörigen Kriterien einheitlich sein (auch über andere Leistungsträger). Dieses wird jedoch in dem neuen Gesetz nicht klar und als Soll-Bestimmung geregelt. Es bedürfte einer Gesamtplanung über alle beteiligten Träger, doch dieses wird im Gesetz anders geregelt, da die Gesamtplanung sich nur auf die Eingliederungshilfe bezieht. Das hat zur Folge, dass Menschen weiterhin verschiedene Begutachtungen und gleichzeitig verschiedene (Teilhabe/Hilfepläne) parallel haben werden selbst wenn sie zwei Leistungen beim selben Leistungsträger erhalten.
  4. Das Geld für Teilhabe- und Pflegeleistungen wird von verschiedenen Rehabilitations-Trägern bezahlt. Die Zusammenarbeit zwischen den Rehabilitations-Trägern soll verbessert werden. Und das die Leistungsträger sich nicht als zuständig ansehen. Behinderte Menschen werden lange benötigen, um letztendlich Leistungen, die sie dringend benötigen, auch bewilligt zu bekommen.
    Hier sollen die Begriffs- und Zuständigkeitsbestimmungen besonders unklar gestaltet werden zwischen den Bundesteilhabesetz und den Pflegeneuausrichtungsgesetz 3. Deshalb werden Leistungsberechtigte hier in besonderem Maß zwischen den Leistungsträgern hin- und her geschickt werden, ohne dass eine Zuständigkeitserklärung und eine Kostenzusage erfolgt.
  5. Anspruch: Es soll alles so organisiert werden, dass wegen der Verbesserung von der Eingliederungs-Hilfe keine neuen Kosten entstehen.
    Dieser Anspruch läuft einer bedarfsgerechten Versorgung an vielen Stellen entgegen.

 

Kontakt:

DIE BRÜCKE
Kathrin Roßberg, Telefon 0451 – 1400830, k.rossberg@die-bruecke.de