Geschichte

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Die Wurzeln

Der Verein „DIE BRÜCKE, Vereinigung der Freunde und Förderer psychisch Behinderter in Lübeck und Umgebung“ wurde am 27. August 1973 gegründet. Die Vereinsregistereintragung erfolgte am 03. Oktober 1973. Das sind immerhin 2 Jahre vor der Veröffentlichung der „Enquete‘, dem Bericht der Sachverständigenkommission über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, die 1975 publiziert wurde. Der Vereinsgründung vorangegangen war ein Seminar des DPWV Schleswig-Holstein, das die Versorgungssituation psychisch kranker Erwachsener in Schleswig-Holstein thematisierte. An diesem Seminar hatten einige spätere Gründungsmitglieder teilgenommen.

Folgende Personen bildeten den 1. Vorstand des Vereins.

  • Dr. Klaus Böhme, Oberarzt in Lübeck
  • Dr. Karl-Heinz Meyer, Nervenarzt in Lübeck
  • Klaus Möritz, Amtsrat in Lübeck
  • Waltraud Ratsch-Kretschmann, Sozialpädagogin grad., Lübeck
  • Michael Radden, Handelsvertreter in Lübeck
  • Dr. Ingrid Eisenmann, Dipl.-Psychologin in Lübeck
  • Dr. Manfred Eisenmann, Nervenarzt in Lübeck

Ziel des Vorstandes der 1. Stunde war der Erwerb der sogenannten Voß’schen Klinik in Schönböcken, die damals zum Verkauf anstand. Dort sollte ein Wohnheimprojekt realisiert werden. Dieses Projekt zerschlug sich jedoch schnell. Auch das Vorhaben, 3 Fachkräfte der Sozialarbeit und eine halbe Verwaltungskraft, finanziert durch die Stadt, für die ambulante Arbeit einzustellen, erwies sich als nicht durchsetzbar. Die Ernüchterung kam bald. Schon nach einem guten Jahr trat der Vorstand zurück. Ursache hierfür war nicht das Scheitern der anfänglich “hoch fliegenden” Pläne, sondern die berufliche Veränderung des 1. Vorsitzenden. Herr Dr. Böhme verließ die Klinik für Psychiatrie, um neue Aufgaben in Heidelberg zu übernehmen. Die Suche nach einem Vereinsvorsitzenden gestaltete sich schwierig. Der Ordinarius für Psychiatrie, Prof. G. Huber, stand der aufkommenden Sozialpsychiatrie eher reserviert gegenüber. Sein Schwerpunkt war die wissenschaftliche Forschung, in der er gerade für psychotisch erkrankte Menschen Hervorragendes geleistet hat. In die Bresche sprang eine der ersten Laienhelferinnen, die jetzige Frau Rechtsanwältin Anke-Christine Hannemann, die damals als Gerichtsreferendarin tätig war. Erst nach langem Drängen konnte für die Position des 1. stellv. Vorsitzenden doch der neue Oberarzt, Herr Dr. R. Schüttler, gewonnen werden.

Im Nachhinein ist zu konstatieren, dass das Scheitern des großen Wohnheimprojektes der BRÜCKE langfristig gut tat. Nur so war sie in der Lage, sich in kleinen Schritten fortentwickelnd, den Bedürfnissen der Psychiatrieerfahrenen auf der Spur zu bleiben.

Ziel des Vereins war zunächst, das Los derjenigen zu verbessern, die an einer, wie es damals hieß, „endogenen Psychose“ leiden. Sowohl die beteiligten niedergelassenen Nervenärzte als auch die Klinik mussten immer wieder erfahren, dass viele PatientInnen im Anschluss an einen stationären Aufenthalt durch die Maschen eines völlig unzureichenden Versorgungsnetzes fielen. Damals gab es keinerlei Nachsorge, die über die ambulante ärztliche Behandlung hinausging. Das führte in den meisten Fallen dazu, dass die von Seiten der Klinik weiter empfohlene Behandlung bei einem niedergelassenen Nervenarzt durch den Erkrankten entweder gar nicht aufgenommen oder bald wieder abgebrochen wurde. Viele lebten völlig isoliert oder aber in Familien, die dem Krankheitsschicksal des Angehörigen hilflos gegenüber standen und vom veränderten Verhalten des Angehörigen überfordert waren. So kam es zu häufig dazu, dass PatientInnen, deren Befinden sich unter klinischen Bedingungen deutlich gebessert hatte, bald darauf wieder massiv erkrankten und zwangseingewiesen werden mussten. Diesen Problemen zu begegnen war Ziel des Vereins. Mittel dazu war die Schaffung eines Clubs, einer Begegnungsstätte, die eine angst- und vorurteilsfreie Begegnung seelisch Kranker und Behinderter untereinander und mit den LaienhelferInnen möglich machte.

In den Räumlichkeiten der sehr hilfsbereiten Guttempler in der Kupferschmiede konnten die ersten Laienhelferlnnen einmal pro Woche für einige Besucher die ersten Clubnachmittage ausrichten.

So waren die Anfänge der BRÜCKE eher bescheiden. Ein für die damaligen Verhältnisse gewaltiger Sprung gelang 1978. Damals erlaubten es die finanziellen Mittel des Vereins endlich, eine eigene Wohnung anzumieten. Dieser Treffpunkt in der Alfstraße beflügelte die Arbeit sehr. An die kleinen, aber doch gemütlichen Räume können sich noch einige Besucher aus der damaligen Zeit gut erinnern. Und natürlich an Peter Wulf, den ersten hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins, der, wie später viele andere auch, über eine AB-Maßnahme des Arbeitsamtes Lübeck zum allergrößten Teil finanziert wurde. Blättert man in Aufzeichnungen aus dieser Zeit, wird eines immer wieder deutlich: Die unglaubliche, aktive Mitarbeit der Laienhelferinnen und -helfer. Zugleich bleibt aber richtig, dass durch das hauptamtliche Element gerade diese ehrenamtliche Tätigkeit sich weiter stabilisierte. Das Besondere am Vorstand der BRÜCKE – das gilt aber auch immer noch – war, daß die Vorstandsmitglieder gleichzeitig als ehrenamtliche Helfer tätig waren. Das betraf die ersten Basare und Feste aber auch Gruppenangebote und die unmittelbar tägliche Arbeit.

Das wichtigste Ereignis für die BRÜCKE war die Gründung der gemeinnützigen GmbH „DIE BRÜCKE“. Gesellschafter mit gleichen Rechten waren der Verein „DIE BRÜCKE“ und der „Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein“ (DPWV). Bald hatte die BRÜCKE zwei Geschäftsführer, zunächst Peter Auerbach, dann Peter Bruhn und Dirk Wäcken, der als Betriebswirt wirtschaftliches Know-how, Wissen um die Strukturen des DPWV und vielfältige Kontakte zum Sozialministerium mitbrachte. Zu Beginn wurde die Geschäftsführung nur ehrenamtlich wahrgenommen.

Warum kam es zur Gründung einer GmbH? Dem damaligen Vorstand des Vereins war das Speicher-Projekt wegen seines für den Vorstand gigantischen Volumens – die Sanierung des Speichers belief sich auf 3.000.000,- DM – nicht ganz geheuer. Eine mögliche Haftung beim Scheitern dieses Projektes nach dem Vereinsrecht war zu unübersichtlich. Da die BRÜCKE als Verein  ohnehin dem DPWV angehörte, war es naheliegend, ihn als Gesellschafter mit ins Boot zu nehmen.

Die Stationen der Entwicklung unserer Unternehmung finden Sie hier in der der Übersicht zum Download.

DIE BRÜCKE heute

Heute bietet DIE BRÜCKE den Bürgerinnen und Bürgern Lübecks vielfältige Hilfen bei psychischer Krankheit und daraus entstehenden Lebens- und Arbeitsproblernen. Mit ihren Unterstützungsangeboten und ihren Einrichtungen hat sie eine Versorgungsstruktur in Lübeck geschaffen, die seelisch belasteten und psychisch kranken Menschen dabei hilft, ihr Leben nach ihren Möglichkeiten eigenständig und selbstbestimmt zu führen.

Zur Zeit unterhält DIE BRÜCKE eine Beratungsstelle und eine Begegnungsstätte, drei Tagesstätten, eine Praxis für Ergotherapie. Hilfen im Wohnbereich gewähren das Betreute Wohnen, die sozialtherapeutischen Wohngruppen und drei sozialpsychiatrische Wohn- und Betreuungseinrichtungen. In der Wohn- und Betreuungseinrichtung Rabenstraße werden vorwiegend Personen gefördert, die psychisch krank sind und gleichzeitig an einer Suchterkrankung leiden. Die häusliche psychiatrische Krankenpflege betreut Patienten in Abstimmung mit deren Ärzten.

Die Wohngruppe „Frauenwege“ bietet Betreuung für Frauen mit einer Persönlichkeitsstörung, z.B. Borderline-Störung. Die Angebote zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation unterstützen in vielfältiger Weise Menschen bei der (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt.

In den Einrichtungen der BRÜCKE arbeiten Fachkräfte der Sozialarbeit und Sozialpädagogik, der Krankenpflege und Ergotherapie, der Medizin und Psychologie. Unterstützt werden sie von Beschäftigten der Hauswirtschaft, der Technik und der Verwaltung, von Praktikumskräften sowie FSJ- und BFD-Leistenden. Im Tageszentrum sind zusammen mit den hauptamtlichen Beschäftigten 25 Laienhelferinnen und Laienhelfer tätig.

Die Ausgrenzung chronisch psychisch kranker Menschen zu beenden, ist nach wie vor Ziel der BRÜCKE. Dies setzt werteorientiertes Handeln voraus; es muss sich an der Würde eines jeden einzelnen Menschen ausrichten. Wenn jeder psychisch Erkrankte als eigenständige Person geachtet wird, ist er nicht mehr Objekt unserer Hilfe, sondern Subjekt und Partner in einem grundsätzlich gleichberechtigten Dialog.

Dieses Prinzip ist Richtschnur für das therapeutische Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BRÜCKE.

Obwohl viele seelische Erkrankungen genauso wie körperliche Krankheiten behandelt und gebessert werden können, bleiben Leiderfahrung und andauernde Krankheit untrennbar mit dem Leben einer größeren Zahl seelisch Erkrankter verbunden. Deshalb bleibt Prüfstein unserer Arbeit und der Gemeindepsychiatrie in Lübeck insgesamt die Verbesserung der Lebenssituation chronisch psychisch kranker Menschen.

Gemeindepsychiatrisches Handeln ist unvollständig, wenn es sich nur auf den einzelnen seelisch Kranken konzentriert. Auch die Angehörigen seelisch Erkrankter bedürfen der Entlastung und Beratung, gegebenenfalls auch die ArbeitskollegInnen. DIE BRÜCKE nutzt viele Wege, um in der Öffentlichkeit Verständnis, insbesondere für die Situation chronisch psychisch Kranker, zu wecken. Die Mitarbeit von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ist einer dieser Wege. Gespräche mit PolitikerInnen und maßgeblichen Persönlichkeiten unserer Stadt, Vorträge, Mitarbeit in Gremien, Dichterlesungen und Basare sind andere Möglichkeiten.

Wie andere Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege auch finanziert sich DIE BRÜCKE aus Sozialhilfemitteln in Form vertraglich festgesetzter Pflegesätze mit dem Land Schleswig Holstein und der Hansestadt Lübeck, aus Mitteln der Krankenkassen, durch Zuwendungen des Arbeitsamtes und durch öffentliche Zuwendungen.

Geschichte des Gebäudes – Engelsgrube 47

Das Gebäude in der Engelsgrube 47 stellt gewissermaßen das Stammhaus der BRÜCKE dar. Hier befinden sich das Tageszentrum, die Tagesklinik und vor allem die große Diele: Dieser Raum ist der zentrale Ort für Begegnungen jeglicher Art:

  • Frühstücks- und Mittagstafeln der genannten Einrichtungen
  • Feiern
  • Veranstaltungen
  • Treffen des – Clubs (der Laienhilfe)
  • und viele mehr.

In diesen Räumlichkeiten atmet die Geschichte, das Miteinander der Menschen hier lässt den Unterschied zwischen erkrankt, gesund oder behindert kaum spüren. Die Architektur und Geschichte des Hauses wird im Folgenden in Umrissen dargestellt. Der denkmalgeschützte Speicher stammt aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Teile eines mittelalterlichen Vorgängerbaus sind – jedoch nur für Experten erkennbar – in dem Gebäude noch heute vorhanden. Erste urkundliche Erwähnung 1318. Offenbar nach seiner Fertigstellung 1599 taucht es als „Rotbrauhaus“ wieder auf (damals ist es im Besitz von Claus Emmermann gewesen).

Das Haus spiegelt die typische Lübecker Haussituation wider. Das zur Straße gelegene Gebäude verspringt auf die Hälfte, die rückwärtige Bebauung lässt einen Innenhof dadurch frei. Zu beachten ist auch die große Tiefe der Grundstücke, insbesondere hier in dem Quartier zwischen Engelsgrube und Fischergrube.

Die im Erdgeschoß des Flügelbaus vorhandene Holzdecke gehört zu den wenigen erhaltenen Ausstattungstücken des einst als Brauhaus dienenden, 1600 unter Verwendung von Teilen des älteren Vorgängerbaus errichteten Hauses Engelsgrube 47. Sie ist Bestandteil einer ursprünglichen Gestaltung dieses Raumes, dessen Wände ebenfalls bemalt gewesen sind, so dass die Deckenbemalung gleichsam den oberen Abschluß der in ähnlicher Weise geschmückten Wandflächen bildete.

Die Decke zeigt eine für diese Zeit übliche ornamentale Malerei in Stilformen der Renaissance.

Der Raum ist nach der Restaurierung des Hauses durch DIE BRÜCKE in den Jahren 1981 bis 1983 in seiner ehemaligen Ausbildung wieder erlebbar und eine der selten gewordenen früheren Deckenbemalungen an ihrem ursprünglichen Ort erhalten worden. Gleichzeitig hat damit ein wichtiges Beispiel historischer Ausstattung Einbeziehung in die heutige Nutzung des alten Hauses gefunden.
Die rechte Abbildung zeigt Ihnen die restaurierte Holzbalkendecke in der Engelsgrube 47.

Als Brauhaus gehörte es zu der großen Zahl von Brauereien (etwa 30) in Lübeck, die aber nicht nur für den Eigenbrauch, sondern auch für den Export Bier herstellten. Bier, das offenbar nicht so hochprozentig war wie das heute übliche Bier, gehörte mit zu den Grundnahrungsmitteln und war keimfreier als Wasser.

Bis zum Sanierungsbeginn 1982 durch DIE BRÜCKE wurde das Haus im vorderen Teil ausschließlich als Speicher benutzt. Bis etwa 1970 gehörte das Haus der Firma Jenne, die hier einen Drogengroßhandel unterhielt. Jetzt: Arzneigroßhandlung.

Der Ausbau der Diele geschah entsprechend der Nutzung des Hauses durch DIE BRÜCKE. Die eingebaute Treppe hat es früher nicht gegeben, da die Lasten mittels des großen Windrades, das sich noch an originaler Stelle im Dach des Hauses befindet, als einzige Hieven auf die Speicherböden gebracht wurden. Die großen Deckenbalken sind, bis auf ausgebesserte Teile, alle original Eichenbalken. Auch die großen Dielenböden gehören noch zum Originalbestand des Hauses.

An einer Wand der Diele ist eine Barockmalerei zu sehen. Es handelt sich dabei um eine Akonthusmalerei, die über eine frühere Wanddekoration aus der Renaissance aufgebracht wurde. Die Quader imitieren profilierte Holzpaneele. Der Erhaltungszustand ist durch Wassereinbrüche im Verlauf der Jahre sehr ruinös. Viel besser erhalten ist die Deckenmalerei im Seitenflügel des Hauses.